Kulturraum Untermosel

Kulturstätten & Naturdenkmäler in Lehmen

Der alte Lindenbaum – Gedicht von Magdalena Schmitt (1982)

 

Das Gedicht aus dem Jahre 1982

Er steht wie ein Wächter am Maifeldtor
viele hundert Jahre schon alt.
In den knorrigen Ästen der Vögel Chor,
ihr Lied weit ins Land erschallt.

Unter dem dichten, grünen Zelt
ein Madonnenbildstock steht.
Zu schützen der Ahnen Haus und Feld,
sprachen sie hier ihr Gebet.

Generationen eilten an ihm vorbei,
teils Freude, teils Trauer im Herz.
Gedanken, Probleme vielerlei,
gar oft voll Abschiedsschmerz.

Es wurden in der nahen Stadt
Geburt und Tod registiert,
auch viel tausend verliebte Paare hat
der Weg an ihm vorbeigeführt.

Nun bist du müde, magst nicht mehr,
wie den Alten die Glieder, werden die Zweige dir schwer.
Du kannst nicht mehr atmen nur saubere Luft.
Wie lang noch verströmt deiner Blüten Duft?

Du hörst nicht mehr der Pferde Gewieher,
kein Ochsengespann ist mehr im Feld zu sehen.
Mit Wehmut erinnerst du dich an früher,
auf den Äckern nur noch Motorengedröhn.

Das Alter hat dir zugesetzt,
dein Frühling ist vorbei,
dein Stamm und Zweige sind morsch, zerfetzt,
aus den Feldern tönt Rabengeschrei.

Ob du noch das neue Jahrhundert erlebst?
Ich glaube, das wäre ein schöner Traum.
Der alte Veteran bis zur Wurzel erbebt,
lebe wohl, du alter Lindenbaum.

Magdalena Schmitt (1915-2006)

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